Vorsorgesparpläne für Gutverdienende sind umstritten, unter Branchenexperten wie auch Sparern. Gewisse Kritikpunkte seien durchaus berechtigt, sagen Experten. Der Nutzen durch Eigenverantwortung und Wahlmöglichkeiten überwiege jedoch.
Das Thema Altersvorsorge erhitzt viele Gemüter: «Nebst der Kontroverse rund um die Umwandlungssätze, das Rentenalter und die Sicherung des Systems im Allgemeinen werden auch Fragen der Eigenverantwortung und der Solidarität heftig diskutiert», erklären die Experten vom ‘Maklerzentrum Schweiz’, ein Vermittlernetz für Anbieter von Versicherungslösungen. So wollten Versicherte etwa wissen, wie viel Vorbezug des Altersguthabens möglich sei und für was, oder ob bei Pensionierung der Kapitalbezug einer Rente vorzuziehen sei. Und die Makler wissen: Seit einiger Zeit beschäftigt ein weiteres Thema die Versicherten – die 1e-Vorsorgepläne.
Selbstbestimmter anlegen im überobligatorischen Bereich
Sogenannte 1e-Vorsorgepläne sind individuelle Sparpläne für Versicherte mit höheren Einkommen. Mit 1e-Plänen kann die Anlagestrategie im Lohnbereich über der anderthalbfachen BVG-Lohnobergrenze durch den Versicherten beeinflusst werden, es können also Lohnbestandteile ab der Höhe von 132’300 Franken versichert werden. Die Versicherten können unter maximal zehn vorgeschlagenen Anlagestrategien wählen, wovon mindestens eine risikoarm sein muss. Die Lohnbestandteile bis zu 132’300 Franken werden dabei wie bisher verwaltet, ohne Anlagewahlmöglichkeiten durch die Versicherten.
Gesetzesänderung hat 1e-Pläne möglich gemacht
1e-Pläne für den überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge gibt es schon seit 2006. Im Rahmen der Änderung des Freizügigkeitsgesetzes hat der Bundesrat jedoch per 1. Oktober 2017 eine neue Verordnung in Kraft gesetzt, die die Verbreitung von 1e-Plänen erst richtig ermöglicht hat: Vorsorgeeinrichtungen müssen den Versicherten keinen garantierten Mindestbetrag mehr auszahlen, wenn sie ihre Pensionskasse verlassen. Das heisst, Versicherte, die bei ihrer Pensionskasse von den Anlagewahlmöglichkeiten Gebrauch machen, werden beim Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung nicht nur einen höheren Anlageertrag mitnehmen können, sondern auch allfällige Verluste übernehmen müssen. So muss ein Anlageverlust nicht von den verbleibenden Versicherten im 1e-Plan getragen werden, wie das früher der Fall war.
Wer profitiert am meisten?
«1e-Vorsorgepläne bieten den Versicherten die Möglichkeit, ihre Vorsorgegelder selbstbestimmter anzulegen und die Anlagestrategie den individuellen Bedürfnissen und Risikopräferenzen anzupassen», erklären die Makler. Und sie fahren fort: «Die Risikobereitschaft hängt auch stark vom Anlagehorizont ab; jüngere Versicherte dürfen risikoreichere Strategien wählen als Versicherte, die kurz vor der Pensionierung stehen.» Als grössten Vorteil sehen die Makler die höhere Flexibilität und Freiheit der 1e-Pläne. Allerdings gehe diese Freiheit einher mit mehr Eigenverantwortung, und allfällige Anlageverluste müssten von den Versicherten selbst getragen werden, warnen sie.
Auch Arbeitgeber profitieren
«1e-Pläne können auch für die Arbeitgeber mit merklichen Vorteilen verbunden sein», heben die Makler hervor. Dabei spielten meist Risikoüberlegungen eine Rolle. Die Verpflichtung der Arbeitgeber beschränke sich nämlich auf die Beiträge an die Pensionskasse. Das Sanierungsrisiko falle weg, da die Versicherten das Anlagerisiko selbst tragen würden. Das führe zu einer Verringerung der Pensionskassenverpflichtungen. Zudem könnten Unternehmen, die nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften wie IAS/IFRS oder US GAAP bilanzierten, 1e-Pläne als Beitragsprimat-Pläne behandeln. «Es gibt denn auch Stimmen die sagen, 1e-Pläne seien hauptsächlich von Arbeitgeberseite initiiert worden – zum Zweck, bilanzielle Verpflichtungen zu reduzieren», so die Makler.
Widersprechen 1e-Vorsorgepläne der 2. Säule?
«Die von Skeptikern am häufigsten hervorgebrachte Kritik dreht sich um die Entsolidarisierung», erklären die Makler weiter. So behaupteten die Kritiker, 1e-Vorsorgelösungen seien erstens nur für Reiche und würden zweitens der Idee der 2. Säule widersprechen. Das Vorsorgesystem werde durch die Individualisierung untergraben, die Solidarität mit Füssen getreten. Eine der Hauptaufgaben der beruflichen Vorsorge sei der Schutz der Versicherten. «Damit stellt sich die Frage, wann und unter welchen Bedingungen man Versicherte aus diesem Schutz entlassen soll oder darf. Manche öffentlich-rechtliche Pensionskasse dürfte 1e-Vorsorgelösungen aus Reputationsüberlegungen wie Solidarität und Schutz der Versicherten deshalb nicht anbieten wollen.»
Sind die Anlagestrategien Augenwischerei?
Die Makler nennen einen weiteren Kritikpunkt betreffend die angebotenen Anlagestrategien: «Da die Versicherten meist eine mittlere Risikostrategie wählen, also eine Anlagestrategie, die von den Pensionskassen selbst angeboten wird, sehen Kritiker in diesen Strategien zum Teil Augenwischerei.» Denn: Die Pensionskassen würden die Vorsorgevermögen der Versicherten sowieso auf diese Art und Weise anlegen, auch ohne 1e-Pläne.
Zudem würden von den Kritikern administrative Schwierigkeiten geltend gemacht: «Kleinere Pensionskassen werden benachteiligt, da sie nicht über die nötigen Ressourcen und Systeme verfügten, 1e-Pläne selbst einzuführen. Sie müssen auf externe Anbieter zurückgreifen, was mit viel Aufwand und Kosten verbunden ist.»
1e-Pläne helfen Umverteilung zu verhindern
«Diesen Vorwürfen kann jedoch Einiges entgegen gesetzt werden», sagen die Makler. Gemäss dem Bundesamt für Statistik kämen 1e-Pläne nur für etwa jeden zehnten Versicherten in Frage. Die Idee der 2. Säule sei, dass die einzelnen Versicherten ein Guthaben anhäuften, das nach Pensionierung ihre Leistungen finanziere (Kapitaldeckungsverfahren). Doch viele Pensionskassen müssten Gelder vom überobligatorischen Bereich umverteilen, um ihre Rentenversprechen zu halten. Der gesetzlich vorgegebene Umwandlungssatz von 6.8% im Vorsorgeobligatorium führe dazu, dass Neurenten zu hoch ausfallen würden – sie würden von den aktiven Versicherten quersubventioniert. Eine BVG-Rente für Neurentner benötige wegen des hohen Umwandlungssatzes einen lebenslangen Zins, der mehrere Prozentpunkte über dem aktuellen Mindestzinssatz von 1% liege – nicht zu sprechen vom während langer Zeit vorherrschenden negativen Zinsniveau. Somit finde also eine systemisch bedingte Umverteilung von Reich zu Arm und von Aktiv zu Passiv statt.
Die 2. Säule sehe jedoch keinen Generationenvertrag mit Umverteilung von Jung zu Alt vor, wie das im Umlageverfahren der Fall sei. «Bei 1e-Plänen kann also nicht von einer Entsolidarisierung gesprochen werden, im Gegenteil. Die Umverteilung von Jung zu Alt hat ein solches Ausmass angenommen, dass zuweilen von einer Ausbeutung gesprochen wird. Diese unerwünschte Entwicklung kann mit 1e-Lösungen teilweise vermieden werden», sind die Makler überzeugt. Dies, indem die Versicherten für ihr 1e-Kapital die Anlagestrategie selbst wählten, die Abwicklung erfolge auf einem individuellen Konto, und die Pensionskasse müsse Verluste nicht ausgleichen und für diese Gelder keine Schwankungsreserven halten. «Die einzige Kritik, die gelten gelassen werden kann, ist, dass durch den Abfluss von überobligatorischen Vorsorgegeldern in 1e-Pläne Kapital aus dem Kollektiv fliesst. Dies könnte die Sanierung von Pensionskassen im Ernstfall erschweren», ergänzen die Makler.
Risikofähigkeit ist entscheidend
Versicherte, die von der Möglichkeit von 1e-Plänen profitieren und mehr Eigenverantwortung für ihre Altersvorsorge übernehmen möchten, müssen jedoch ein paar Dinge berücksichtigen: «Die Anlagestrategie muss sorgfältig gewählt werden und dem Alter, der Risikofähigkeit und der Risikobereitschaft entsprechen. Personen, die kurz vor der Pensionierung stehen, könnten sich zum Beispiel für einen hohen Anteil an Cash und möglichst sichere Anlagen entscheiden», erläutern die Makler.
Auch müsse die Anlagestrategie der 1e-Lösung im Kontext des Gesamtvermögens erfolgen. Die Makler raten, eine ganzheitliche Risikoanalyse des Vermögens durchzuführen und auf eine breite Diversifikation zu achten. Zu beachten sei auch, dass das in 1e-Plänen angesammelte Vermögen im Allgemeinen nicht als Rente bezogen werden könne, sondern als Kapitalbezug erfolgen müsse.
Letztlich sind die Makler aber überzeugt, dass 1e-Pläne eine wichtige Ergänzung zu Vorsorgeprodukten sind, und wegen der erforderten Eigenverantwortung zu begrüssen seien.