Kaufen ist wieder teurer als Mieten
Käufer einer Eigentumswohnung müssen erstmals seit Langem wieder mehr bezahlen als für eine vergleichbare Mietwohnung. Diese Trendwende ist auf die starken Zinsanstiege bei Fix-Hypotheken zurückzuführen und dürfte sich fortsetzen.
Zum ersten Mal seit 13 Jahren übersteigen die Gesamtkosten für Wohneigentum beim Abschluss oder Verlängern einer Hypothek die Mietkosten einer vergleichbaren Wohnung. «Im ersten Quartal 2022 mussten Eigentümer eine Prämie von 3.1% für Wohneigentum bezahlen. Noch Anfang 2021 konnten Eigentümer dagegen im Mittel von einem Eigentumsrabatt von 15.5% profitieren», weiss Thomas Rieder, Immobilienökonom der Credit Suisse. Verantwortlich für die schnelle Trendwende sei der steile Anstieg der Zinssätze von Fix-Hypotheken, sagt er. Die 5-jährige Fix-Hypothek ist seit Anfang 2021 von 1.1% auf beinahe 2% zum Ende des ersten Quartals 2022 geklettert. «In Kombination mit den starken Preisanstiegen hat dies innert wenigen Quartalen dazu geführt, dass aus dem Eigentumsrabatt eine Eigentumsprämie wurde», ergänzt Rieder. Und er schlägt vor: «Entscheidet sich ein Käufer für eine SARON-Hypothek, bleibt ein Eigentumsrabatt vorerst bestehen.»
Starke Zinsanstiege sind Treiber der Eigentumsprämie
Für den Vergleich zieht er die inserierten Eigentumspreise respektive die Mieten für eine 4.5-Zimmer-Wohnung im Bestand heran. Dabei geht er von einer Fremdfinanzierung von 80% und der Wahl einer 5-jährigen Fix-Hypothek aus. Gemäss seinen Schätzungen lag der jährliche Aufwand für eine Eigentumswohnung mit einer Vollkostenrechnung im ersten Quartal bei 23'128 Franken. Für eine gleich grosse Mietwohnung musste im selben Zeitraum eine Jahresmiete von 22’440 Franken bezahlt werden. Die Hypothekenzinskosten schlugen als einer der grössten Kostenblöcke mit 10’966 Franken zu Buche. «Das entspricht zwar einem Anstieg um 45% seit Anfang 2021, doch die reinen Zinskosten bleiben weiterhin klar tiefer als vergleichbare Wohnungsmieten», erläutert Rieder.
Neben Zinskosten gibt es weitere Aufwände
Eigentümer müssten jedoch weitere finanzielle Aufwände beachten, fährt Rieder fort. So müsse 1% des Liegenschaftswertes als Unterhalt berücksichtigt werden, was den Aufwand für Wohneigentum um 9’078 Franken erhöhe. Hinzu kämen steuerliche Aspekte (Eigenmietwert und Schuldzinsabzug), Opportunitätskosten in Form von Anlagealternativen des Eigenkapitals, Risiken wie das finanzielle Klumpenrisiko oder die kurzfristige Illiquidität des Objekts, aber auch Gewinnchancen dank einer langfristigen Aufwertung des Grundstücks. «Werden alle diese Faktoren berücksichtigt, steigen die totalen Wohneigentumskosten im obigen Rechenbeispiel auf 23’128 Franken», rechnet er vor.
Vor 2009 war mehrheitlich die Eigentumsprämie vorherrschend
Wie Rieder weiter ausführt, sei der finanzielle Aufwand für Wohneigentum als Folge der tiefen Hypothekenzinsen nach Ausbruch der Finanzkrise Ende 2008 niedriger als für eine vergleichbare Mietwohnung gewesen. «Historisch musste für Wohneigentum jedoch mehrheitlich eine Prämie bezahlt werden. Diese hat sich zwischen 1993 und 2008 im Durchschnitt auf 29% belaufen. Die Eigentumsprämie kann etwa mit den grösseren individuellen Gestaltungsmöglichkeiten bei Wohneigentum begründet werden. Die Freiheit, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, ist vielen Eigentümern zudem einen Aufpreis wert.»
Eigentumsprämie dürfte weiter steigen
Die Zinssätze von Fix-Hypotheken sind auch im Verlauf des zweiten Quartals 2022 angestiegen. «Nach der starken jüngsten Zunahme erwarten wir in den kommenden 12 Monaten nur noch einen geringen weiteren Anstieg, doch der Durchschnittszins des zweiten Quartals wird denjenigen des Vorquartals übertreffen», so Rieder. Eigentumsrabatte würden sich daher nicht so rasch wieder einstellen, auch wenn die Hypothekenzinsen insgesamt noch immer auf einem überschaubaren Niveau seien.
Nachfrageüberhang bleibt bestehen
Für Neuerwerber ist der Kauf von Wohneigentum somit wieder teurer als Mieten. «In Bezug auf die kalkulatorische Tragbarkeit, die zumeist mit 4.5% oder 5% berechnet wird, ändert sich für Kaufwillige dadurch jedoch nichts», erklärt Rieder weiter. Die Anzahl potenzieller Wohneigentümer werde folglich aufgrund der Eigentumsprämie nicht kleiner: «Die tatsächlichen höheren finanziellen Aufwände dürften jedoch den einen oder anderen Interessenten abschrecken. Dies dürfte sich dämpfend auf die Nachfrage nach Wohneigentum auswirken. Da gleichzeitig die Neubautätigkeit rückläufig ist, und nur sehr wenige Objekte auf dem Markt verfügbar sind, gehen wir unverändert von einem Nachfrageüberhang und weiter steigenden Immobilienpreisen aus.»
Bestehende Eigentümer profitieren noch vom Eigentumsrabatt
Für viele bestehende Eigentümer ändert sich kurzfristig nicht viel, beruhigt Rieder. Die Mehrheit der Wohneigentümer habe Fix-Hypotheken abgeschlossen: «Gemäss jüngsten Zahlen von 2020 entfallen 82% des gesamten Hypothekenvolumens in der Schweiz auf Fix-Hypotheken. Viele Haushalte dürften somit ihre Hypothekenzinsen über mehrere Jahre fixiert haben und werden noch eine Zeit lang von tiefen finanziellen Aufwänden für ihr Wohneigentum profitieren.»
Eigentümer dürften bald höheren Hypothekenzinskosten ausgesetzt sein
Bestehende Wohneigentümer müssten aber damit rechnen, dass sie nach Ablauf ihrer Fix-Hypothek ebenfalls höheren Hypothekenzinskosten ausgesetzt seien, räumt Rieder ein. Er rät deshalb, schon heute Reserven für die in Zukunft zu bilden. Doch er beruhigt: «Bestehende Eigentümer sind gut gerüstet. Sie können gemäss Tragbarkeitsrechnung einen Zinssatz von 4.5% oder 5% finanziell tragen. Hinzukommt die seit einigen Jahren geltende verschärfte Amortisationsregel, die Belehnung innert 15 Jahren von 80% auf 66.7% zu reduzieren. Die steigenden Hypothekenzinsen sollten daher im Normalfall für die grosse Mehrheit der Eigentümer nicht zu einem Problem werden.»